In Wert gesetzt: Sand = Nachhaltigkeit

Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben heute in Bauten, deren materielle Substanz aus Sand besteht. Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie, der Medizin oder dem Fahrzeugbau wären ohne den Werkstoff Sand undenkbar. Sand gehört neben den Fossilen-Brennstoffen und Wasser zu den wichtigsten Rohstoffen der menschlichen Zivilisation. Es ist vielen Menschen nicht bekannt, das Länder wie z.B. Dubai, Oman, Saudi Arabien oder Singapur zu den importierenden Sand-Staaten gehören. In diesen Staaten hat sich eine regelrechte Sandmafia etabliert, die den dringend benötigten Baustoff, illegal, in den Hoheitsgewässern anderer Staaten abbaut und dann meistbietend verkauft. Das hat zur Folge, dass in den zurückliegenden zwei Dekaden rund 60 Inseln von der Landkarte verschwunden sind.Ein Bewusstsein für diesen alltäglichen Rohstoff kann nur dadurch erreicht werden, wenn wir SAND in WERT setzen. Die Begegnung mit Kuratorin Adrienne Goehler im Sommer 2014 hat meinen künstlerischen Fokus bestärkt, auch nach der Weltdekade der Vereinten Nationen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014), das Thema SAND und die öffentliche Auseinandersetzung mit der schützenswerten Ressource, noch stärker zu verfolgen. Seit fast 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Werkstoff Sand und hatte das Glück, auf drei Kontinenten mein Wissen über diesen wichtigen Rohstoff zu lehren und mehren. Bei den Menschen ein Bewusstsein für das Thema Sand, der allem Anschein nach unbegrenzt und kostenfrei zur Verfügung steht, zu schaffen, ist ein Anliegen, das ich mit meiner künstlerischen Arbeit untersuche und erforsche.

Die Hinwendung zur 3-Dimensionalität (Spiegel-Kuben) in den letzten Jahren, ist eine konsequente Weiterentwicklung des künstlerischen Ausdrucks. Sand ist der Rohstoff, aus dem Spiegelglas gefertigt wird. Diese reflektierenden Flächen fordern jeden Betrachter/in zur Aktion heraus, darüber hinaus schaffen sie ein Bewusstsein…ich „sehe“ mich - also „bin“ ich. Die Spiegel-Kuben: Glas ist kein Festkörper im üblichen Sinne, es verhält sich anders als Metalle oder Kristalle, denn es ist nur scheinbar fest. Da ist es schwer vorstellbar, dass ein so "fester" Werkstoff wie Glas fließen soll. Genau diese Widersprüche machen Spiegel-Glas für mich so interessant. 2005 entwarf ich für eine Fußgängerzone sechs Spiegel-Kuben. Sie sollten so aufgestellt werden, dass die Passanten ihren zurückgelegten Weg, das heißt das Zurückliegende, die Vergangenheit und, obwohl nicht einsehbar, den Weg, der vor ihnen liegt, die Zukunft, einsehen können. Das Übertragen von Bewegung auf etwas, das sich "bewegt", dieser energetische Prozess, stand im Mittelpunkt der Installation. Zusätzlich üben Spiegelbilder etwas Regulatives aus. Die meisten Betrachter unterziehen sich einer Art Selbstkontrolle, „Liegen die Haare noch?“, „Bin ich zu dick?“...Fragen, die gedanklich in Selbstgesprächen verhandelt werden. Auch die Gefahr von Sprayern, Graffitis und Vandalismus galt es zu untersuchen. Gibt es eine Hemmschwelle, sein eigenes Spiegelbild zu beschmieren oder zu zerstören? Ich behaupte an dieser Stelle: JA!

Bernd Caspar Dietrich, Juli 2014